Der Wohltäter

Georg Neidlinger

Eine außergewöhnliche und ambivalente

Unternehmerpersönlichkeit

Georg Neidlinger

Von Georg Stappert

Aufnahmen von Hans Jürgen Loos und Adolf Weber

Der Unternehmer

Wenn  

in  

Weinheim  

der  

Name  

Georg  

Neidlinger  

fällt,  

dann  

fangen  

vor  

allem  

viele  

ältere  

Bürger  

sogleich  

an,  

von  

den  

Wohltaten  

des  

“Hamburger  

Onkels“  

zu  

erzählen.

So  

erinnern  

noch  

heute  

insbesondere  

das  

Georg-Neidlinger-Haus,  

die  

Georg-Neidlinger-Straße  

und  

das  

Georg-Neidlinger-Denkmal  

an  

diese  

außergewöhnliche

Unternehmerpersönlichkeit, der Weinheim viel zu verdanken hat.

Wer war nun dieser große Wohltäter unserer Heimatgemeinde?

Georg   Neidlinger   wurde   am   12.   Mai   1839   als   Sohn   des   Landwirts   Johann Adam   Neidlinger   (1790-1881)   und   seiner   Ehefrau   Maria   Magdalena   geb.   Maschmann   hier in Weinheim geboren. Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor, von denen fünf Söhne und drei Töchter das Erwachsenenalter erreichten. Als   politisch   engagierte   Befürworter   des   Gedankenguts   der   1848er-Revolution   mussten   seine   wenige   Jahre   älteren   Brüder   Adam   und   Johannes   nach   Amerika auswandern,   um   der   Verhaftung   oder   Bestrafung   zu   entgehen.   Adam,   der   Begründer   einer   Brauerei,   und   Johannes   als   Farmer   waren   recht   bald   erfolgreich   und ermunterten   die   Geschwister   ebenfalls,   ihr   Glück   in   der   „Neuen   Welt“   zu   suchen.   1855   folgte   deshalb   der   16jährige   Georg   der   Einladung   seiner   Brüder   und   wagte mit   einem   Segelschiff   die   Überfahrt   nach   Amerika.   Noch   kurz   vor   seiner   Ankunft   soll   er   von   Piraten   überfallen   worden   sein,   so   dass   er   ohne   Hab   und   Gut   an   Land ging. Einige Zeit arbeitete Georg zunächst in verschiedenen Branchen, bis er schließlich am 26. November 1857 eine feste Anstellung bei der „SINGER MANUFACTORY COMPANY“ in   New   York   fand.   Diese   Firma   war   1851   von   Isaac   Merrit   Singer   gegründet   worden   und   stellte   die   ersten   Nähmaschinen fabrikmäßig    her.    Auch    der    Ratenverkauf    war    schon    eine    Erfindung    Singers.    Der    junge    Georg    Neidlinger,    technisch außerordentlich   versiert,   stieg   nun   sehr   schnell   vom   Packer   in   die   Führungsebene   des   Unternehmens   auf.   Bereits   1860   wurde er   mit   dem   Auftrag   nach   Hamburg   geschickt,   dort   eine   Werkstatt   und   eine   Verkaufsniederlassung   einzurichten.   Zunächst gründete    Neidlinger    die    eigenständige    Firma    „Singer    Generalvertretung    Georg    Neidlinger“    und    begann    sogleich    mit aggressiven   Verkaufsstrategien   die   Singer-Nähmaschinen   europaweit   an   den   Mann   zu   bringen.   Bereits   um   1875   besaß   er   mit 214   Filialen   das   dichteste   Singer-Filialnetz   in   Europa,   das   damals   über   100.000   Nähmaschinen   jährlich   verkaufte.   Sein Bestreben   um   weitere   Expansion   wird   auch   dadurch   deutlich,   dass   Georg   Neidlinger   1885   an   der   Admiralitätsstraße   ein Geschäftshaus   errichten   ließ,   das   als   Kontor   und   Lager   für   seinen   Nähmaschinenbetrieb   diente   und   bis   heute   seinen   Namen trägt, das sogenannte Neidlingerhaus.“                                                     
Georg Neidlinger Haus Hamburg
Evangelische Kirche Weinheim
Eingangstor Friedhof in Weinheim
Wasser-Pumpwerk Weinheim
Eingangstor zur katholischen Kirche Weinheim
Grabstätte für Eltern und Geschwister auf dem Friedhof Weinheim
Georg Neidlinger Haus Weinheim
Gedenkstein Georg Neidlinger Weinheim
Wohnhaus der Familie Gysler ehemals Geburtshaus von Georg Neidlinger
Abdeckplatte der Wasserquelle im Keller des Weingutes Gysler
Elisabeth Neidlinger geb. Gamlin Ehefrau von Georg Neidlinger
Gewerbeschein von 1886
Textauszug Gedenktafel: Georg Neidlinger 1839 - 1920 Stiftungen: 1892 Erneuerung der evangelischen Kirche 1892 Hochaltar der Katholischen Kirche Umfassungsmauern und Schmiedeeisernes Tor 1907 Friedhof – Einfriedungsmauer Leichenhalle 1910 Bau einer Wasserleitung, Pflasterung der Dorfstraßen 1912 Elektrizitätsversorgung 1920 Einrichtung der evangelischen Kinderschule und Schwesternwohnung
Galerie:
Eine Postkarte von Georg Neidlingers Frau
Eine Postkarte von Georg Neidlingers Frau
Raten-Kontrollbuch 28.01.1907 für Frau Maria Wittneben In Oebisfelde, Achterstraße 70
Ein Dankeschön von Georg Neidlinger
„Es wird ersucht dieses Buch einmal vierteljährlich in unserem Geschäft vorzuzeigen oder an dasselbe zu senden, um die geleisteten Zahlungen mit den Büchern vergleichen zu können.“
Bad Ems, den 30. Juni 1910 Herrn Bürgermeister Dexheimer Weinheim Sehr geehrter Herr Bürgermeister In Bestätigung Ihrer geschätzten Zuschrift vom 26. dieses Jahres sage ich Ihnen, sowie dem gesamten Ortsvorstand meinen herzinnigsten Dank für Ihre freundlichen Glückwünsche. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr G. Neidlinger
Auch   mit   verschiedenen   Zeitungen   legte   er   sich   an,   weil   sie   darüber   berichteten,   dass   Singer-Nähmaschinen   im   Vergleich   zu   deutschen   Produkten   schlechter abschnitten.   Die   meisten   Prozesse   verlor   Neidlinger,   doch   seine   aggressive   Umtriebigkeit   ging   weiter.   So   führte   er   schon   recht   früh,   die   von   Singer   bereits   in   den USA   erprobten   Ratenzahlungen   ein,   oder   er   kaufte   seine   gebrauchten   im   Wettbewerb   mit   deutschen   Produkten   schlechter   abgeschnittenen   Singer-Nähmaschinen für   rund   10   Mark   auf,   ergänzte   sie   durch   geringfügige   Verbesserungen   und   verkaufte   sie   wiederum   zum   Originalverkaufspreis.   Auch   bot   er   einer   Berliner   Zeitung hohe    finanzielle    Mittel    an,    um    die    Veröffentlichung    und    Beschwerden    der    deutsche    Nähmaschinenfabrikanten    zu    verhindern,    die    ihm    darin    unlautere Machenschaften unterstellten. Nicht   weniger   freundlich   war   der   Umgang   Neidlingers   mit   seinen   Firmenuntergebenen.   So   befahl   er   u.a.   jedem   seiner   Vertreter,   einmal   jährlich   die   Haushalte   seines Einzugbereiches   mit   Werbematerial   zu   besuchen   und   darüber   nach   Hamburg   zu   berichten.   „Der   dafür   gezahlte   Lohn   war   gering   und   musste   durch   die   versprochene Provision   aufgebessert   werden.   Diese   war   allerdings   erst   fällig,   wenn   die   bestellte   Nähmaschine   ganz   bezahlt   war.   Blieb   aber   eine   Rate   aus   oder   der   Schuldner wurde   zahlungsunfähig,   dann   verfiel   auch   die   Provision.“   Zudem   musste   jeder   Vertreter   bei   seiner   Anstellung   1000   Mark   Kaution   hinterlegen,   die   allerdings   verfiel, wenn er kündigte oder sich um eine Anstellung bei einer anderen Nähmaschinenfirma bewarb. Aus   all   diesen   Geschäftsgebahren   wird   ersichtlich,   dass   Georg   Neidlinger   in   den   Anfangsjahren   von   „Singer“   in   Europa   unersetzlich   war.   Denn   ihr   Protagonist   war nicht   nur   ein   umtriebiger   Kaufmann   und   Organisator   sondern   auch   ein   begnadeter   Techniker,   der   die   ständige   Weiterentwicklung   seiner   „Singer-   Nähmaschinen“ vorantrieb und sich allein 40 Verbesserungen patentieren ließ. Ohne   Neidlinger   hätte   Singer   auch   nicht   diesen   außerordentlichen   Bekanntheitsgrad   in   Europa   erreicht. Als   1895   mit   der   Gründung   der   „Singer   Nähmaschinen AG“ in   Hamburg   Neidlingers   Firma   in   eine Aktiengesellschaft   umgewandelt   wurde,   trat   er   in   deren   Vorstand   ein.   Neidlingers Alleinherrschaft   ging   damit   zu   Ende. Aber   als Aktionär war er nunmehr, ohne seine bisherigen 25jährigen Einkünfte, um weitere fünf Millionen Mark reicher geworden. Seine   geschäftliche   Umtriebigkeit   ging   aber   damit   nicht   zu   Ende.   So   kaufte   er   1902   im   Auftrag   der   „Singer   AG“   für   32000   Mark   in   Wittenberge   an   der   Elbe   ein   fast fünf   Hektar   großes   Gelände,   auf   dem   ein   Jahr   später   die   Singernähmaschinenfabrik   entstand.   Sie   wurde   allmählich   zur   einzigen,   größten   und   leistungsfähigsten Produktionsstätte   in   Deutschland   ausgebaut.   Sie   überdauerte   später   beide   Weltkriege   und   wurde   zu   DDR-Zeiten   unter   dem   Firmennamen   „Veritas“   weitergeführt, um dann unter neuen „marktwirtschaftlichen“ Bedingungen abgewickelt zu werden. So   ist   es   „eine   makabere   Ironie   des   Schicksals,   dass   sowohl   der   Initiator   für   den   Nähmaschinenstandort      Wittenberge   als   auch   sein   Liquidator   von   1992   aus Hamburg kam.“
Literaturhinweise: Julius Grünewald, Die Familie Neidlinger und der „Hamburger Onkel“, in: Heimatjahrbuch 1989, S. 91-97 Karl Müller, Geschichte und Kirchengeschichte von Weinheim bei Alzey, 1975, S. 69 -72 Laudatio auf  Georg Neidlinger anlässlich des Festgottesdienstes am 03.08. 1992: „100 Jahre Kirchenrenovierung“ Festschrift „100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Weinheim 1892-1992, S.55-59 Artikel aus der AZ:  „Er tat viel für Weinheim“ (Zeugenaussagen) Originalbriefe von Georg Neidlinger Veritaslounge... the official website of veritas: „Der Initiator der Wittenberger Nähmaschinenfabrik“ Die Begründer der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, www.hmb-wiss-stift.de/home/donatoren Jubiläum der St. Galluskirche Weinheim 1481-1981 Ur.-Nr.10473: Schenkung an die Gemeinde Weinheim vom 23.12.1907 Ur.-Nr.269:  Aufstellung der Kosten für den Bau der Wasserleitung der Gemeinde Weinheim vom 12.12.1912 Schreiben des Bürgermeisters Dexheimer „An das Grossherzogliche Ministerium der Justiz in Darmstadt“ um Rückvergütung des Stempelbetrags vom 21.02.1908 Schreiben   des   Generalstaatsanwalts   vom   11.07.1908   wegen   eines   „Gesuchs   des   Kaufmanns   G.   Neidlinger   zu   Hamburg   um   Erstattung   des   Stempels   für   eine Schenkung an die Gemeinde Weinheim“ Hamburger Adressbücher Raten-Kontrollbuch von 1907 Gewerbeschein von 1886 Dankschreiben von Georg Neidlinger
Man muss wissen, dass Bad Ems vor dem 1. Weltkrieg als „Weltbad“ und Sommerresidenz des europäischen Hochadels seine ganz große Glanzzeit erlebte. So weilten hier u.a. Kaiser Wilhelm I., die Zaren Nikolaus I. und Alexander II. sowie der gesamte europäische Hochadel und nicht zuletzt berühmte Musiker und Schriftsteller wie Richard Wagner oder Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Ob Georg Neidlinger ihnen begegnet ist?
Diese Postkarte ist an Georg Neidlingers jüngste Schwester Elisabeth (1842 – 1922) gerichtet, die mit einem Johann Balz (1837 – 1907) verheiratet war. Das Ehepaar hatte den Hof der Neidlinger-Eltern (das heutige Anwesen des Weingutes Gysler) übernommen. Geschrieben hat die Postkarte Georg Neidlingers Frau. Sie hieß Elisabeth Gamlin und war eine Londoner Bankierstochter. Manches auf der Karte ist schwer zu entziffern. Vielleicht lag es daran, dass Frau Neidlinger als Engländerin die Sütterlin-Schrift nicht so gut beherrschte. Gruß aus Hamburg d. 23. Sep. 1898 Liebes Settchen (?) ich konnte noch nicht zum Schreiben kommen, wollte Euch mitteilen, daß wir wohlbehalten am letzten Sonnabend (?) wieder hier eintrafen. Georg muss den Daumen jetzt jeden Tag in Moorbädern baden und scheint dadurch die Geschwuls (?) (t)etwas weicher zu werden. Hoffentlich geht es dir gut und ist (?) auch Fritzchen wieder besser, so daß Ihr ein großes (?) Brief (?) __________________   _________________  habt. Ich schreibe euch (?) _______________ mehr. Sobald ich zum Markt (?) komme besorge ich eine Karte (?) mit dem neuen Haus am Jungferstieg. Mit herzlichem Gruß an Alle von Georg und mir . Deine Schw(ägerin) Elis(abeth) Neidlinger
Der Wohltäter Der   große   Reichtum   Neidlingers   ermöglichte   es   ihm,   sich   auch   immer   stärker   am   gesellschaftlichen   Leben   in   Hamburg   zu   beteiligen.   Äußerer   Ausdruck   seines Reichtums   war   u.a.   das   fünfgeschossige   Gebäude   am   Jungfernstieg   /   Alsterarkaden   und   seine   im   italienischen   Neo-Renaissance-Stil   erbaute   Villa   in   Hamburg- Uhlenhorst,   die   er   mit   seiner   Gattin   Elisabeth   geb.   Gamlin,   einer   Londoner   Bankierstochter,   bewohnte.   Dass   die   Ehe   kinderlos   blieb,   ist   vielleicht   mit   ein   Grund,   dass sich Georg Neidlinger sowohl in Hamburg als auch in seiner Heimatgemeinde Weinheim als überaus großzügiger Donator und Wohltäter betätigte. So   zählte   er   in   Hamburg   zu   den   finanziell   am   stärksten   engagierten   Gründungsaktionären   des   Deutschen   Schauspielhauses,   das   1900   eröffnet   wurde.   Georg Neidlinger   war   auch   1907   mit   etwa   20.000   Mark   einer   von   46   Donatoren   der   „Hamburgischen   Wissenschaftlichen   Gesellschaft“,   die   1919   zur   Gründung   der   dortigen Universität führte. Im Foyer des Hauptgebäudes der Universität ist noch heute sein Name verzeichnet. In   noch   viel   größerem   Maße   jedoch   bedachte   er   seine   Familienangehörigen   und   seine   Heimatgemeinde   Weinheim.   „So   ist   es   bezeichnend   für   seinen   edlen Charakter,   dass   er   im   Jahre   1888,   als   er   die   ersten   Früchte   seiner   regen Tätigkeit   zu   ernten   begann,   den Armen   der   Heimat   gedachte   und   ein   Kapital   von   8000   Mark stiftete, dessen Zinsen acht armen, alten, hilfsbedürftigen Personen zu Gute kommen sollen.“ (Dokument des Gemeinderats, 1920). 1891/92   stellte   Georg   Neidlinger   für   die   Renovierung   der   evangelischen   Kirche   52309,38   Goldmark   aus   seinem   Privatvermögen   zur   Verfügung.   Das   Werk   war   so gut   gelungen,   dass   die   Chronik   vermerkte,   die   Kirche   sei   „zu   einem   herrlichen   Kunstwerk   im   edelsten   Sinne   des   Wortes   -   zu   einem   Werke   aus   einem   Guß   - umgeschaffen   worden.“   Im   Jahre   1899   schenkte   er   der   Ortsgemeinde   48000   Mark   für   das   schmiedeeiserne   Tor   und   die   Einfriedungsmauer   des   neuen   erweiterten Friedhofs.
Zu   Beginn   des   neuen   Jahrhunderts   ,   im   Jahre   1902,   wurden   die   Ortsstraßen   auf   seine   Kosten   gepflastert.   Und   da   Weinheim   seit   Jahrzehnten   unter   Wassermangel litt,   schenkte   er   der   bürgerlichen   Gemeinde   1907,   ein   Tag   vor   Heiligabend,   für   die   Herstellung   der   Wasserleitung   „zum   freien   unwiderruflichen   Eigentum“   eine   „zu verausgabende   Summe   bis   zu   einem   Höchstbetrag   von   36.000   Mark   .“   (Urk.Nr.10473).   Auch   die   vom   Großherzoglichen   Ministerium   der   Justiz   erlassenen Schenkungssteuer   („Stempelerlaß“)   in   Höhe   von   1098,42   überlässt   Neidlinger   der   Gemeinde.   Durch   eine   weitere   Spende   erhielt   die   evangelische   Kirche   1907   einen neuen Ofen und 1912 elektrisches Licht. Ebenfalls im Jahr 1907 ließ er auf dem Friedhof eine Leichenhalle errichten. Eine   sehr   lobenswerte   und   weitsichtige   Entscheidung   Neidlingers   kann   man   auch   aus   einem   Briefwechsel   mit   der   Ortsgemeinde   Weinheim   entnehmen.   Hier   teilte   er mit,   dass   er   am   06.   Dezember   1909   seine   Vollmacht   über   Herrn   Notar   Jost   an   Bürgermeister   Dexheimer   hat   übertragen   lassen   und   zwar   „zum   Ankauf   der Grundstücke für einen Kinderspielplatz..., sodass bei der Unterzeichnung der Akten auch die Zahlungen sofort geleistet werden können.“ (s.  Brief v. 08.12. 1909) Als   dann   auch   noch   die   Straße   zwischen   Weinheim   und   Mauchenheim   ausgebaut   wurde,   erhielt   die   Gemeinde   von   ihrem   Wohltäter   im   Mai   1913   noch   einmal   2000 Mark.   Wenige   Jahre   vorher   muss   wohl   auch   Großherzog   Ernst   Ludwig   von   der   großen   Spendenfreudigkeit   Neidlingers   erfahren   haben,   weshalb   er   ihn   1910   mit   dem Ritterkreuz erster Klasse auszeichnete. Außergewöhnlich   sind   auch   die   finanziellen   Zuwendungen   an   die   katholische   Kirchengemeinde.   Gerade   in   einer   Zeit,   in   der   das   Verhältnis   zwischen   Katholiken   und Protestanten   nicht   immer   ungetrübt   war,   erwies   sich   Georg   Neidlinger   als   sehr   großherzig.   So   unterstützte   er   bereits   1892   die   Kirchengemeinde   bei   der   Renovierung der   „fast   baufällig   gewordenen   Kirche   in   namhafter   Weise.   Insbesondere   ließ   er   auf   eigene   Kosten   den   gotischen   Hochaltar   errichten.“ Auch   stellte   er   die   finanziellen Mittel für das schmiedeeisene Eingangstor zum Pfarrgarten (alter Friedhof) zur Verfügung. Neben der Elektrifizierung der Gemeinde bestritt er 1913 auch die Kosten von 708,50 Mark für die Installation des elektrischen Lichtes in der katholischen Kirche. Zudem spendete er 1914 500 Mark für die Renovierung des katholischen Pfarrhauses in der Rathausstraße. „Als   dann   in   letzter   Zeit,“   so   heißt   es   in   dem   bereits   zitierten   Nachruf   der   Ortsverwaltung   zum   Tode   Neidlingers,   „die   Renovierung   der   katholischen   Kirche   notwendig wurde,   erklärte   sich   Herr   Neidlinger   aus   freien   Stücken   bereit,   einen   Großteil   der   Kosten   zu   übernehmen,   denn   er   wollte,   dass   dieser   altehrwürdige   Bau   wieder würdig hergestellt werde.“  Ob ihm zuvor dabei auch der Kostenvoranschlag des Mainzer Dombaumeisters Becker über 27000 Mark bekannt geworden war ? Es   ist   deshalb   nicht   verwunderlich,   dass   Herr   Lederer,   von   1913   bis   1932   katholischer   Pfarrer   von   Weinheim,   in   der   Gemeindechronik   lobend   vermerkt,   dass Neidlinger „ein edler Protestant sei.“
In   dem   bereits   zitierten   Nachruf   weist   die   Ortsverwaltung   insbesondere   darauf   hin,   dass   Neidlinger   den   Armen   im   Dorf   alljährlich   an   Weihnachten   Geschenke   in Naturalien   und   später   infolge   der   Kriegsverhältnisse   (des   1.   Weltkrieges)   auch   Geld   zukommen   ließ.   Darüber   hinaus   wussten   auch   Zeitzeugen   viel   Interessantes   zu berichten:   „Wenn   er   hierherkam,   hat   er   viele   bedacht.   Die   Weinheimer   haben   sich   immer   gefreut,   wenn   er   seinen   Besuch   angekündigt   hat.“   Und   an   anderer   Stelle heißt   es:   „Die   Leute,   die   im   Wingert   seiner   Familie   in   die   Weinlese   gingen,   entlohnte   er   fürstlich:   Zehn   Mark   pro Tag   gab   es   für   die   Männer,   fünf   Mark   für   die   Frauen. Und das bei einem Durchschnittslohn von 1,80 Mark, der 1910 gezahlt wurde. Deshalb wollten bei Neidlingers alle lesen gehen.“ (s. AZ: Er tat viel für Weinheim) Ein   Jahr   vor   seinem   Tod   verwirklichte   Georg   Neidlinger   noch   einen   langgehegten   Wunsch   durch   die   Errichtung   einer   Kleinkinderschule   mit   einer   dazugehörigen Schwesternwohnung.   Sie   wurde   allerdings   erst   am   5.   September   1920   in   Dienst   gestellt.   Dabei   handelte   es   sich   um   ein   Haus,   das   Neidlinger   seiner   Nichte   Maria Trautwein   geb.   Balz   testamentarisch   vermacht   hatte.   Diese   stellte   dann   das   Gebäude   der   evangelischen   Kirchengemeinde   zur   Verfügung.   Die   Kosten   hierfür übernahm   ebenfalls   Herr   Neidlinger.   Es   war   seine   letzte   Stiftung.   Doch   dieses   sehr   segensreiche   und   in   die   Zukunft   weisende   Werk   erlebte   der   Weinheimer Ehrenbürger nicht mehr, denn er starb bereits am 20. April 1920 in Hamburg. Gerne   hätte   er   wohl   seine   letzte   Ruhe   auf   dem   Friedhof   seiner   geliebten   Heimatgemeinde   gefunden.   Denn   hier   hatte   er   schon   lange   vorher   eine   monumentale neoklassizistische   Grabstätte   mit   dorischer   Säulenstellung   unter   dem   Wahlspruch   „Die   Liebe   höret   nimmer   auf“   für   seine   Eltern,   seine   Geschwister   und   deren Nachkommen    errichten    lassen.    Die    Überführung    seines    Leichnams    war    aber    damals    wegen    der    Rheinlandbesetzung    durch    die    Franzosen    und    den    damit verbundenen Schwierigkeiten leider nicht möglich. Abschließend   sei   noch   einmal   aus   dem   Nachruf   des   Weinheimer   Gemeinderats   zum Tode   seines   großherzigen   Wohltäters   zitiert.   Hier   heißt   es:   „   So   floss   das   Leben unseres   hochgeschätzten   Ehrenbürgers   hin   in   Arbeit   und   Wohltun...   Was   Herr   Neidlinger   für   die   Gemeinde   Weinheim   tat,   muss   jeder   ehrlich   Denkende   dankbar anerkennen. Was er für sie war, das bezeugen auch in Zukunft noch die von ihm geschaffenen Werke.“
Gedenkstein:
Briefe an den Gemeinderat

27. September 1907

22. November 1907

28. April 1908

5. Februar 1909

14. April 1909

14. April 1909

30. Oktober 1909

10. November 1909

2. Dezember 1909

8. Dezember 1909

30. Juni 1910

31. Mai 1913

Schenkungsurkunde
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